Naturschutzgebiet Hetter-Millinger Bruch

Die Hetter ist eine weite, offene, grünlandgeprägte Landschaft der ehemaligen Rheinaue. Das typische Landschaftsbild der Hetter wurde durch mehrere Faktoren geprägt. Von wesentlicher Bedeutung ist es, dass in der Hetter geringe Grundwasserflurabstände vorzufinden sind, das heißt, dass der Höhenunterschied zwischen Erdoberfläche und Grundwasseroberfläche relativ gering ist. Des Weiteren trug auch die flächendeckende, teilweise extensive Grünlandnutzung zur Entwicklung des typischen Landschaftsbildes am Unteren Niederrhein bei. 


Ein Teil der Hetter (658 Hektar) ist heute unter der Kenn-Nummer KLE-013 als Naturschutzgebiet „Hetter-Millinger Bruch“ ausgewiesen. Das Naturschutzgebiet ist das drittgrößte im Kreis Kleve. Das Gebiet ist ein Feuchtwiesengebiet von landesweiter Bedeutung und ist Bestandteil des Natura 2000-Netzwerkes der Europäischen Union. Ebenfalls ist das Gebiet auch Bestandteil des sogenannten Ramsar-Gebietes Unterer Niederrhein und des gleichnamigen Vogelschutzgebietes. Die Ramsar-Konvention ist ein Übereinkommen über Feuchtgebiete, insbesondere als Lebensraum für Wasser- und Watvögel, von internationaler Bedeutung. Die Hetter ist außerdem eine bedeutsame Kulturlandschaft.


Das Naturschutzgebiet erstreckt sich über eine etwa acht Kilometer lange Fläche entlang der deutsch-niederländischen Grenze nördlich der zwischen Emmerich am Rhein und Rees gelegenen Dörfer Vrasselt (Stadt Emmerich), Praest (Stadt Emmerich) und Millingen (Stadt Rees). Das Gebiet kann man dabei in die drei Teilbereiche Großer Hetterbogen, Kleiner Hetterbogen und Millinger Bruch gliedern. Die Bewohner der Region bezeichnen das gesamte Gebiet nördlich von Vrasselt, Praest und Millingen, sowie das Gebiet des Dorfes Klein-Netterden, welches keinen Ortskern besitzt, bis zur Grenze zu den Niederlanden als Hetter, als Naturschutzgebiet ist jedoch nur der Bereich zwischen der Hollandautobahn A3 und der Grenze in Vrasselt, Praest und Millingen, sowie ein Bereich südlich der A3 bei Millingen ausgewiesen. Der Kulturlandschaftsbereich „Die Hetter“ erstreckt sich über ein größeres Gebiet als das Naturschutzgebiet, jedoch ausschließlich auf dem Gebiet von Vrasselt und Praest.


Der Name der Hetter geht auf die Hattuarier zurück, einen Germanenstamm, der sich hier vor 2000 Jahren ansiedelte, als der Rhein die Nordgrenze des Römischen Reiches bildete.


Noch bis zur Römerzeit umfloss ein Rheinarm, der bei Hochwasser regelmäßig Wasser führte, die Hetter. Als der Rheinarm schließlich ganz verlandete, entstand der Hetterbruch, welcher auch als „ward hetere“ bekannt ist. Bereits im 13. Jahrhundert bildete der ehemalige Rheinarm als „Tote Landwehr“ die Grenze zwischen den Herzogtümern Kleve und Geldern. Heute bildet die Tote Landwehr die Grenze zwischen Deutschland und den Niederlanden. Die Tote Landwehr und die Millinger Landwehr verlaufen parallel zueinander, auf niederländischer Seite existiert zusätzlich die parallel zur Millinger Landwehr und Tote Landwehr verlaufende Hollandse Lander. Von Millingen fließen die Tote Landwehr und die Millinger Landwehr über Praest und Vrasselt zum 2016 erbauten Wasserverteilbauwerk Klein-Netterden und dort in die Löwenberger Landwehr, die das Wasser über den Hafen Emmerich in den Rhein leitet. Die Hollandse Lander fließt einige Meter nördlich vom Wasserverteilbauwerk in den Netterdenschen Kanal, der am Wasserverteilbauwerk beginnt, zwischen Klein-Netterden (D)/Netterden (NL) und Elten (D)/Stokkum (NL) die deutsch-niederländische Grenze darstellt, als „Die Wild“ durch Elten in Deutschland Richtung Süden fließt, südlich von Elten wieder entlang der Grenze verläuft und über den „Oude Rijn“ bei Pannerden in den Niederlanden in den Pannerdenschen Kanal fließt. Die Löwenberger Landwehr stellt die Grenze zwischen Vrasselt und Emmerich sowie dem bis zum Jahr 1794 zu den Niederlanden gehörenden Klein-Netterden dar. Landwehren dienten im Mittelalter einerseits als Verteidigungsbauwerk, andererseits zugleich der Entwässerung. Die Landwehren in der Hetter gehören zu den ältesten noch erhaltenen Grenzanlagen Deutschlands und sind als Bodendenkmal ausgewiesen. Neben den Landwehren gibt es in der Hetter viele weitere Gräben.


Um die im frühen Mittelalter gerodeten, fruchtbaren Flussmarschen nachhaltiger landwirtschaftlich nutzen zu können, begannen die Menschen am Niederrhein spätestens im 8. Jahrhundert mit Polderungen. Mit dem wachsenden Landbedarf zum Ende des 13. Jahrhunderts ging die Binnenkolonisation auf die bis dahin unzugänglichen Bruchgebiete wie die Hetter über. In der Hetter legten niederländische „Broeker“ ab 1339 planmäßig Entwässerungsgräben nach holländischen Muster an.


Führte der Rhein Hochwasser, kam es trotz der Polderung, vor allem im Winterhalbjahr, durch den Rückstau in den Landwehrgräben regelmäßig zu großflächigen Überschwemmungen in der Hetter. Tief liegende Senken und Mulden standen bis weit ins Frühjahr hinein blank. Es entstand ein Mosaik aus nassem, feuchtem und trockenem Grünland.


Die Hetter ist bis heute schwach besiedelt. Der Grund für die heute noch sehr dünne Besiedlung mit Einzelhöfen auf Wurten ist, dass größere Teile des kultivierten Landes den benachbarten Altsiedlungen auf dem Uferwall zugeschlagen wurden. Schon im Mittelalter weidete das Vieh in den Flussmarschen traditionell den ganzen Sommer über Tag und Nacht draußen. Gemolken wurde auf der Weide. Mit dem Fahrrad und den Milchkannen am Lenker mussten die Melkerinnen zweimal täglich in die Hetter „fietsen“. Diese Form der Bewirtschaftung hielt sich in der Hetter noch teilweise bis Mitte des 20. Jahrhunderts.


So erfolgte die Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung in der Hetter deutlich langsamer als in anderen Gebieten des Niederrheins. Diesem Umstand ist zu verdanken, dass die ökologisch bedeutsamen Lebensräume und Arten in der Hetter erhalten blieben.


Das Schutzgebiet stellt sich heute als eine strukturreiche, in regelmäßigen Abständen kleinflächig überflutete Heckenlandschaft mit zahlreichen Kopfbaumreihen und Feucht- oder Frischweiden dar. Da die ehemaligen Schläge im Gelände nach wie vor durch Baumreihen, Hecken, lineare Vertiefungen oder Grabensysteme erkennbar geblieben sind, werden die weiten Grünlandflächen teilweise recht kleinparzellig gekammert und nur von wenigen, verstreut liegenden Höfen unterbrochen. Besonders die stark vernässten Bereiche, Hecken, Saumstrukturen, Ruderalfluren, Ackerbrachen und extensiv genutzte Grünlandflächen sowie die Röhrichte und Gewässer sind sehr artenreich ausgeprägt. Zu den in der Hetter brütenden Vögeln gehören Heckenbewohner, wie Gelbspötter, Gartenrotschwanz oder Grasmücken, Wiesenvögel, wie Kiebitz, Uferschnepfe, Rotschenkel, Bekassine, Wiesenpieper oder Großer Brachvogel, und Wasservögel, wie Schnatter-, Knäk-, Tafel- und Löffelente. Weitere Arten, die ebenfalls auf der Roten Liste vom Aussterben bedrohter oder gefährdeter Vögel stehen, sind beispielsweise das Rebhuhn oder Greifer, wie Baumfalke und Steinkauz. Auch für vorbeiziehende oder überwinternde Rastvögel hat das Gebiet eine entscheidende Bedeutung. Zu nennen sind in erster Linie Wildgänse, wie Blässgans oder Saatgans, die zu Tausenden die Nahrungshabitate der Hetter aufsuchen, aber auch hohe Zahlen verschiedener Arten belegen den Wert dieser Landschaft. So sind unter anderem Kiebitz, Uferschnepfe, Großer Brachvogel, Kampfläufer, Wachholderdrosse, Rotdrossel, Silberreiher, Grünschenkel und Austernfischer beobachtet worden.


Nachgewiesen sind des weiteren zahlreiche Mollusken, also vor allem Schnecken oder Muscheln, Heuschrecken, Libellen und Amphibien.


Von überregionaler Bedeutung sind die Sumpfdotterblumenwiesen im östlichen Großen Hetterbogen, welche am Unteren Niederrhein einmalig in diesem Umfang und dieser Ausprägung zu finden sind.


Als historisch gewachsene Kulturlandschaft ist das Naturschutzgebiet „Hetter-Millinger Bruch“ also zum einen für den Arten- und Biotopschutz von sehr hohem Wert, zum anderen muss dem eigentümlichen Landschaftsbild eine wichtige Rolle beigemessen werden, da die Hetter eine sehr charakteristisch ausgeprägte Rheinniederungslandschaft darstellt. Um den Zustand dieser Landschaft zu erhalten und stellenweise auch aufzuwerten, ist der Naturschutz stark darum bemüht verschiedene Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen durchzuführen. So soll zum Erhalt und zur Ausbreitung von Nass- und Feuchtwiesen, zur Förderung von Saumstrukturen und zur Verbesserung der Nistsituation für Wiesenbrüter vermehrt eine vertraglich gesicherte Extensivbewirtschaftung zahlreicher Grünlandflächen stattfinden. Zum Schutz gefährdeter Pflanzen- und Tierarten im Bereich der Ufersäume, Grabenrandbereiche, Blänken und Gewässer wird zudem eine verträglichere Gewässerunterhaltung sowie eine Verminderung der Nährstoffzufuhr aus angrenzenden Flächen angestrebt.


Die Hetter ist Namensgeberin des auf dem Gebiet von Praest gelegen Rastplatz Hetter an der Autobahn A3.


Um die Schönheit der Hetter zu genießen, wird eine Radtour über die Wirtschaftswege am Rande des Naturschutzgebietes empfohlen.


Nördlich von Praest, circa 200 m östlich vom Feldkampshof (Hetterstraße 6), bietet eine Aussichtsplattform die Möglichkeit zur Vogelbeobachtung.